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Aufgeben gibt es nicht!

Hämophilie

Als ich im Jahr 1969 geboren wurde, wussten meine Eltern nichts von meiner Hämophilie*. Meine Großmutter jedoch bemerkte oft die vielen blauen Flecken auf meinem Körper. Damals wurde angenommen, dass solche Verletzungen bei Jungen normal seien. Als ich zwei Jahre alt war, verspürte ich Durst in der Nacht und wollte über das hohe Holzgitter meines Bettes klettern, um etwas zu trinken. Dabei verlor ich das Gleichgewicht und stürzte mit dem Kopf auf das Parkett. Meine Eltern fanden mich bewusstlos auf dem Boden. Der Arzt diagnostizierte damals den Verdacht auf eine Hirnblutung und empfahl dringend, mich so schnell wie möglich nach Zürich zu bringen. Da meine Eltern kein Auto hatten, brachte uns der Nachbar ins Kinderspital Zürich.

Hirnblutung

Nach einer langen Operation hatte ich endlich das Schlimmste überstanden. Der Arzt stellte fest, dass ich an schwerer Hämophilie leide und infolge des Eingriffs auf der rechten Seite gelähmt war. Ein Teil meiner Schädeldecke wurde erst einige Wochen später wieder eingesetzt, um Komplikationen zu vermeiden. Da dieser Bereich nicht mehr mit meiner Schädeldecke zusammenwachsen konnte, trug ich jahrelang einen robusten Lederschutzhelm, um meinen Kopf zu schützen. Nur durch intensive Therapie gelang es mir, ein annähernd normales Leben zu führen.

Volksschule

Die Volksschulzeit ist für mich keine angenehme Erinnerung, da ich oft verspottet wurde. Aufgrund meiner gesundheitlichen Einschränkungen durfte ich nicht an Aktivitäten teilnehmen, die meinem Körper schaden könnten. Das führte dazu, dass meine Mitschüler mich entweder ignorierten oder verspotteten, was meine Situation noch schwieriger machte.

Die Nachricht!

Die Operation, bei der meine Schädeldecke mit Kunststoff verschlossen wurde, war einer der schönsten Tage für mich. Endlich konnte ich den Lederhelm ablegen und wie ein gesunder Junge aussehen, als sechzehn Jahre alter Teenager. Diese Operation markierte das Ende einer beinahe endlosen Zeit für mich.

Der Brief vom Arzt

Ein Brief vom Arzt traf ein und er teilte uns mit, dass ich eine HIV-Infektion habe, die durch Blutprodukte übertragen wurde. Diese Nachricht traf mich schwer, und ich fragte mich, warum ausgerechnet ich betroffen sein musste. Trotz meiner Traurigkeit gab ich nicht auf und begann einen Kampf gegen das Virus.

Originaltext des Arztes

"Liebe Familie Planzer
Von der letzten Blutentnahme habe ich drei gute und eine schlechte Nachricht für Sie: Den schlechten Bericht voraus nehmend, muss ich Ihnen leider mitteilen, dass bei Daniel Paul Planzer die Untersuchung auf anti-HIV positiv ausgefallen ist. Dies bedeutet, dass mit den verschiedenen Blutprodukten einmal auch das Virus übertragen wurde, welches im extremen Fall die erworbene Immunschwäche Aids* verursacht. Wie Sie wissen, ist dieses Risiko bei Hämophilie* bis vor sehr kurzer Zeit gross gewesen, und wir bedauern, dass die Infektion bei Daniel eingetreten ist.
- Bei Patrick dagegen ist die Untersuchung negativ ausgefallen.
- Wir haben diese Situation in letzter Zeit natürlich mehrfach erlebt; sie wirft zahlreiche Fragen auf, die in dem mitgeschickten Merkblatt diskutiert werden. Ich würde vorschlagen, dass Sie diese Information genau lesen und sich kurze Zeit danach noch einmal bei uns für eine Besprechung melden. Viele persönliche Fragen, die in dieser Situation auftauchen, können nur im Gespräch mit einem erfahrenen Arzt beantwortet werden. Ich stehe Ihnen gerne für diese Besprechung zur Verfügung, bitte melden Sie sich dafür bei meiner Sekretärin.
Die drei guten Nachrichten sind demgegenüber einfach: Die eine habe ich erwähnt, nämlich, dass Patrick der Aids-Test* negativ ausgefallen ist. Die beiden anderen betreffen die Hepatitis B und sind an sich nicht neu, da wir diese Untersuchungen schon früher durchgeführt hatten. Wir können bestätigen, dass beide Knaben gegen die Erkrankung an Gelbsucht geschützt sind.
Ich erwarte also gerne ihre Anmeldung zu einer weiteren Besprechung. Bei dieser Gelegenheit würde ich vorschlagen, dass wir bei Daniel die Blutentnahme wiederholen, um ganz sicher zu sein. Der Test ist an sich sehr zuverlässig, aber die Verwechslung einer Blutprobe könnte immerhin doch vorkommen, und diese Möglichkeit möchte ich mit einer Wiederholung der Untersuchung ausschliessen.
Mit freundlichen Grüssen Prof. W.H. Hitzig."

Vermerk

Am 14. Februar 2006 las ich diesen Brief zum ersten Mal, da ich mehr über die damaligen Ereignisse erfahren wollte, um mich besser auf meine Arbeit in der AIDS-Prävention vorzubereiten. Ich fand den Brief im Archiv des Kinderspitals Zürich.

Als ich den Inhalt des Briefes las, kamen mir die Tränen, und mir wurde erneut bewusst, wie schwer es meine Eltern gehabt haben mussten. Die Vorstellung, mit ihrem Sohn nach Zürich zu reisen und diese schockierende Nachricht zu hören, war für sie eine unvorstellbare Belastung.

Ein Termin wurde vereinbart, und wir machten uns bald darauf auf den Weg nach Zürich ins Kinderspital. Im Büro des Oberarztes wurde mir dann mitgeteilt: "Daniel, du bist HIV-positiv!"

Prof. Hizig teilte mir mit schwerem Herzen mit, dass ich durch fremdes Blut, genauer gesagt durch den Faktor VIII, das lebenswichtige Medikament zur Blutgerinnung bei Blutungen, welches aus Blut von fremden Spendern stammte, infiziert wurde.

Meine Welt brach zusammen. Ich konnte nur noch fragen: "Warum, warum ausgerechnet ich?"

Ich fiel in ein tiefes Loch, brauchte viel Zeit und dachte über den Sinn des Lebens nach. Traurigkeit, Einsamkeit und Frustration begleiteten mich. Das Leben erschien mir sinnlos, und ich verspürte nur noch einen stechenden, tiefen Schmerz.

"Ist das Leben zu Ende?" fragte ich mich oft.

Neuer Mut und trauer

Doch trotz allem gab ich nicht auf. Ich hatte bereits so viel durchgemacht, dass ich wusste, ich würde auch diesem Virus standhalten, so gut ich konnte!

Ich begann eine Ausbildung als Schreibmaschinen-Mechaniker, arbeitete jedoch später im Verkauf in der Unterhaltungselektronik.

Meine Mutter verstarb im Jahr 1988 an Krebs. In diesem schwierigen Jahr lernte ich jedoch auch Barbara kennen, die mein Leben bereicherte und mich in dieser schwären Zeit unterstützte.

Therapie

Im Jahr 1996 fielen meine Blutwerte stark ab, was mich zutiefst besorgte. Deshalb begann ich eine Therapie, die dazu beitrug, meine Werte zu verbessern. Vor Beginn der Behandlung hatte ich oft den Gedanken, dass jeder Tag mein letzter sein könnte. Doch die Therapie brachte mir neue Hoffnung und ermöglichte es mir, wieder positiv in die Zukunft zu blicken.

Vorbereitet

Angesichts der Unsicherheit über meine Zukunft entschied ich mich, Barbara am 2. Februar 1996 zu heiraten und vorsorglich mein Testament zu verfassen.

Glücklicherweise verbesserte sich langsam mein Zustand. Die Medikamente begannen zu wirken, und allmählich ging es mir besser. Trotz der starken Nebenwirkungen der Medikamente lernte ich, sie zu akzeptieren. Letztendlich wurden diese Pillen zu einer Art Lebensversicherung für mich.

HIV war nicht genug

Meine Leberwerte stiegen bedrohlich an, da ich auch mit Hepatitis C zu kämpfen hatte. Glücklicherweise wurde eine neue Therapie zugelassen, die ich sofort begann. Trotz der heftigen Nebenwirkungen hielt ich tapfer durch. Dann kam die erlösende Nachricht: Die Behandlung war erfolgreich, und ich hatte Hepatitis C besiegt.

Leider nicht lange

Aktuell beschäftigt mich die Blutungen im Stuhlgang, die anscheinend eine Folge des langanhaltenden und intensiven Durchfalls sind, den ich während der 48-wöchigen HCV-Therapie erlebt habe. Es scheint, dass mein Darm durch diese Nebenwirkung stark beeinträchtigt wurde und nun zu meinen aktuellen Beschwerden führt. Daher sind weitere Untersuchungen erforderlich, um die besten Therapiemöglichkeiten zur Bewältigung dieses Problems zu ermitteln.

Diagnose CED

Es scheint einfach nicht aufzuhören. Gerade wenn ich denke, dass eine Sache besser wird, taucht eine neue Herausforderung auf. Die chronische Darmentzündung scheint sich bei mir als ständiger Begleiter einzunisten, und trotz der Vielzahl an Medikamenten, die ich ausprobiert habe, gelingt es uns nicht, diese Infektion zu stoppen. Mir wurde geraten, Geduld zu haben.

Deshalb habe ich beschlossen, zu einem anderen Darm-Spezialisten zu wechseln.

CED bestimmt den Tag

Jeder hat es mitbekommen und wir sind alle betroffen: Corona hat auch die Schweiz erreicht. Unsicherheit und Angst herrschen, der Bundesrat ist fast täglich im Fernsehen zu sehen und immer neue Bestimmungen bremsen unseren Alltag aus. Der Lockdown hat uns alle bis an unsere Grenzen gefordert.

Für mich ist das Zuhause bleiben nichts Neues, denn aufgrund meiner Darmsituation verlasse ich das Haus nur noch für ein paar Stunden pro Woche, zum Beispiel für den Einkauf. Viele meiner Hobbys kann ich momentan nicht ausüben.

Auch auswärts essen wird zunehmend schwieriger, deshalb genießen wir gelegentlich unser Essen zu Hause über Catering oder Take-away.

Mit dieser Situation leben

In der Zwischenzeit habe ich zahlreiche Untersuchungen hinter mir und wir versuchen, die Situation mit anderen Medikamenten etwas zu stabilisieren. Neu wird auch mein Immunsystem durch Medikamente unterdrückt, um die Entzündungen im Darm zu verbessern oder zumindest stabil zu halten.

Mein Alltag im April 2021 besteht aus vielen Toilettenbesuchen, Völlegefühl, Bauchschmerzen und Wechseln zwischen Kälte- und Wärmegefühlen. Es macht nicht besonders viel Spaß, aber im Moment gibt es keine andere Option. Barbara ist mein Sonnenschein und meine Tiere geben mir Sinn und erfreuen meinen Alltag.

Infusion statt Pillen

Wir schreiben Samstag, den 7. August 2021, und der Sommer ist verregnet, was die Stimmung gedämpft hat. Wir alle sehnen uns nach Sonnenschein und einem erfrischenden Bad im See.

Davon kann ich jedoch nur träumen, denn seit zwei Jahren war ich nicht mehr im See schwimmen, obwohl ich direkt am See wohne. Der Grund dafür ist mein Darm.

Am vergangenen Donnerstag war ich zum ersten Mal in der Tagesklinik Hirslanden am Bahnhof Luzern für eine Infusion, da auch das Medikament Imurek nicht den gewünschten Erfolg gebracht hat. Jetzt bekomme ich tröpfchenweise ein neues Medikament in die Venen verabreicht.

Ich hoffe, dass dies eine Verbesserung meiner Situation bewirken wird. Daher werde ich nun häufiger in Luzern anzutreffen sein, zumindest am Bahnhof.

Erleichterung und Trauer

Es ist fast Jahresende und dank der Medikamente kann ich mich wieder freier bewegen, da sich mein Darm endlich ruhiger verhält. Es scheint, dass die Infusionen wirken.

Dennoch bleibt die Angst bestehen, und wenn ich das Haus verlasse, muss ich immer darauf vorbereitet sein, inklusive Ersatzkleidung für den Fall des Unerwarteten.

Am 6. Oktober verstarb meine Taufpatin, und mein Vater und ich hatten geplant, gemeinsam an der Urnenbeisetzung teilzunehmen. Wir sprachen noch am Telefon über diesen Tag, aber es kam anders als geplant, denn mein Vater verstarb unerwartet am 15. Oktober 2021.

Da auch mein Bruder Patrick letztes Jahr unerwartet am 21. Juni verstorben ist, bin ich jetzt der letzte Stammhalter der Familie Planzer.

Das Leben zeigt uns, dass Freud und Leid oft sehr nah beieinander liegen.

Schmerzen im Bauchraum

Am 7. Dezember hatte ich den ganzen Tag Bauchschmerzen und musste ins Krankenhaus. Nach Untersuchungen stellte sich heraus, dass ich Gallensteine hatte und operiert werden musste, da der Stein zu groß war. Die Wunde heilte gut, aber es dauerte, bis ich mich erholt hatte.

Es ist jetzt der 10. Oktober 2022, und ich verbringe viel Zeit in der Wohnung wegen des heißen Sommers. Schwimmen im See ist keine Option aufgrund meiner Situation. Auch wenn der Bademeister mir anbietet, außerhalb der Öffnungszeiten zu schwimmen, lehne ich dankend ab, schätze aber seine Fürsorge.

Besser, aber nicht gut

Auf der Startseite finden sich inspirierende Zitate, die zum Nachdenken anregen:

«Zwingt uns das Leben in die Knie, haben wir jederzeit die Wahl, stehen wir auf oder bleiben am Boden liegen! »

Ich lebe genau nach solchen Zitaten. Auch wenn mein Körper mir Grenzen aufzeigt, bedeutet das nicht, dass ich auf alles verzichten muss. Ein erfülltes Leben bleibt mein Ziel. Daher akzeptiere ich die Situation und schöpfe das Beste daraus.

Geschrieben für euch
Grüsse Daniel Paul Planzer

..: letzte Aktualisierung am 19. Apr. 2024 :..